Thesen für eine Strategie in der Klimabewegung

Thesen für eine Strategie in der Klimabewegung

Die Folgen des Klimawandels waren in den letzten Jahren auf der ganzen Welt zu spüren – die Bewegung zur Rettung des Klimas glücklicherweise auch. Immer mehr Menschen wird klar, dass es unsere Art zu wirtschaften ist, die uns in die Klimakrise gestürzt hat, und sind bereit sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Die Klimabewegung ist vielfältig, kreativ und widerständig. Sie schafft es, unzählige Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen zusammen und auf die Straße zu bringen. Trotzdem sind politische Schritte, die die Treibhausemissionen in angemessener Weise eindämmen, immer noch in weiter Ferne. In vielen Teilen der Bewegung herrscht Frust und ein Gefühl der Ohnmacht. Trotz Millionen Menschen auf der Straße scheint sich kaum etwas zu ändern.

Wir haben uns als neue Gruppe „Aktion Klimakampf München“ zusammengeschlossen, weil wir diese Probleme sehen und gemeinsam Antworten finden wollen. Was es unserer Meinung nach braucht, ist Organisierung. Tatsächliche, verbindliche Organisierung, bei der wir uns auf gemeinsame Analysen und Ziele einigen, uns langfristig zusammenschließen, und eine Gegenmacht zum herrschenden System aufbauen. In unserer ersten Veröffentlichung formulieren wir in zehn Thesen unsere inhaltlichen und organisatorischen Grundsätze.

1. Einen „grünen Kapitalismus“ kann es nicht geben

Das herrschende Wirtschaftssystem, der Kapitalismus, ist untrennbar verknüpft mit der drohenden Klimakatastrophe und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Die treibenden Kräfte in diesem System sind der Drang nach permanentem Wachstum und die Bewertung jeder wirtschaftlichen Tätigkeit aus dem Blickwinkel der Profitmaximierung.

Diese Antriebe werden immer alle anderen denkbaren Ziele, wie zum Beispiel den Klimaschutz, ausstechen. Denn der Kapitalismus basiert auf dem Prinzip der Konkurrenz: Um auf dem Markt bestehen zu können, muss jeder Konzern mehr verkaufen als seine Konkurrenten – und größere Gewinne machen als diese. Dazu muss er die Effizienz seiner Produktion immer weiter ausbauen. Täte er dies nicht, würde er niederkonkurriert und vom Markt verdrängt.

Weil ihre Profite aus der Ausbeutung von Menschen und Natur stammen, streben die Eigentümer:innen der Konzerne stets danach, diese Ausbeutung zu verstärken: Durch Verlängerung des Arbeitstages oder Intensivierung der Arbeit; durch Überdüngung von Böden, Massentierhaltung oder die Verbrennung fossiler Energien. Auch „grünere“ Technologien müssen im kapitalistischen System funktionieren und unterliegen somit den selben Zwängen von Wachstum und Profit. Es ist zum Beispiel illusorisch, dass sich erneuerbare Energien auf einem Markt, der von den Monopolen des fossilen Kapitals beherrscht wird, rechtzeitig durchsetzen können.

Das Wachstum der Wirtschaft bedeutet also notwendigerweise auch Wachstum der Treibhausemissionen und Zerstörung der natürlichen Ressourcen. Eine Entkoppelung dieser Mechanismen voneinander in relevantem Maße ist unmöglich. Die Klimakrise wird sich also durch Regulierungen und Anreize zum Klimaschutz nicht abwenden lassen. Der Kapitalismus lässt sich nicht reformieren. Wir müssen ihn stürzen.

Es gibt auch innerhalb dieses Systems viele fortschrittliche Kämpfe für Klimagerechtigkeit, die wir unterstützen wollen. Dabei müssen wir in unseren Analysen aber immer die Schranken aufzeigen, die uns die Eigentumsverhältnisse im Kapitalismus auferlegen, und in unseren Antworten über das bestehende System hinausweisen.

2. Für einen Zusammenschluss von Arbeiter:innen- und Klimabewegung

In letzter Konsequenz ist der Kampf gegen die Klimakatastrophe ein Kampf um die Verwendung des gesellschaftlichen Reichtums. Denn diejenigen, die sich immer wieder dafür entscheiden, ihre Profite über die Zukunft unseres Planeten zu stellen, ziehen die Macht dazu aus ihrem Reichtum. Dem Reichtum, den der Rest der Menschheit jeden Tag für sie erarbeitet.

Heute ebenso wie vor hundert Jahren ist unsere Gesellschaft gespalten in diejenigen Menschen, welche die Produktionsmittel, also die Fabriken, Felder und Kraftwerke, besitzen – und jene, die nur ihre Arbeitskraft verkaufen können. Denn die ersteren können entscheiden, was und wie wir produzieren – und für ihre Profite findet diese Produktion statt. Die große Mehrheit der Menschen dagegen hat am gesellschaftlichen Reichtum keinen Anteil und kein Mitbestimmungsrecht.

Dieses Verhältnis von Kapital und Arbeit trennt die Gesellschaft in verschiedene Klassen: die besitzende und die arbeitende Klasse, die in einem objektiven Widerspruch zueinander stehen. „Objektiver Widerspruch“ bedeutet dabei, dass die Besitzenden ihre Gewinne auf Kosten der arbeitenden Klasse machen, während jeder Erfolg der arbeitenden Klasse in ihren Kämpfen um höhere Löhne, mehr Freizeit, mehr Klimaschutz oder andere gesellschaftlich progressive Verwendungen des Reichtums gegen die Interessen der besitzenden Klasse erkämpft werden muss.

Ebenso wie die Kämpfe um den 8-Stunden-Tag oder gegen die Kinderarbeit ist auch der Kampf gegen die Klimakrise ein Klassenkampf. Denn es geht in ihm um die Frage, auf welche Art produziert werden soll. Während die arbeitende Mehrheit und ihre Kinder die Folgen der Klimakrise voll zu spüren bekommen, können sich die Eigentümer:innen und Investor:innen der großen Konzerne den Auswirkungen der Katastrophe weitestgehend entziehen.

Doch da es die arbeitenden Menschen sind, die die Konzerne, die Kraftwerke und Fließbänder in Betrieb halten, haben sie mit dem Mittel des Streiks die Macht, ihre Forderungen auch durchzusetzen. Die herrschende Klasse hat in der Vergangenheit große Anstrengungen darauf verwendet, dieses Kampfmittel einzuhegen und zu unterbinden. Durch Sozialpartnerschaft, Tarifeinheitsgesetz und das Verbot des politischen Streiks wie durch Spaltung und Bestechung. Den Streik aus dieser Einhegung zu befreien, sehen wir als wichtigen Teil jeder revolutionären Politik.

Der Kampf gegen die Ausbeutung der Natur und der Menschen gehört zusammen. Dabei ist uns klar, dass innerhalb dieses Systems und seiner Logik durchaus Widersprüche zwischen der Arbeiter:innen- und Klimabewegung gegeben sind. Der Kohleausstieg bedroht die Kohlearbeiter:innen mit Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit, ebenso wie es die Verkehrswende mit den Beschäftigten der Automobilindustrie tut.

Wir betrachten jede Frage aus der Klassenperspektive und unterstützen konkret die Kämpfe unserer Klasse. Die Forderungen nach Konversion und Arbeitszeitverkürzung spielen dabei eine wichtige Rolle. Ebenso wichtig ist es aber aufzuzeigen, dass die Widersprüche zwischen Klima- und Arbeiter:innenbewegung nur innerhalb der Logik des kapitalistischen Systems bestehen und im gemeinsamen Kampf dagegen aufgelöst werden können.

3. Wir brauchen ein Bewusstsein für die Rolle des Staates

In kapitalistischen Ländern ist es die oberste Aufgabe des Staates, die Eigentumsverhältnisse aufrecht zu erhalten und das nationale Wirtschaftswachstum gegenüber der internationalen Konkurrenz zu steigern.

Wenn die Bundesregierung Autokonzerne in Abgasskandalen deckt und mit Abwrackprämien beschenkt, Milliarden an Subventionen in klimaschädliche Landwirtschaft pumpt oder Konzernen wie der Lufthansa in der Krise mit Milliarden aushilft, dann tut sie das, um diesen Konzernen einen Vorteil auf dem Weltmarkt zu verschaffen. Umweltschutz und Arbeiter:innenrechte wiederum sind meist Nachteile gegenüber internationalen Mitbewerbern und können nur gegen den Widerstand des Kapitals erkämpft werden.

Die Logik der kapitalistischen Konkurrenz besteht nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen den Nationen und zwingt alle Regierungen, nach diesen Prinzipien zu handeln. International sichert die herrschende Klasse die Unterwerfung aller Staaten und Regierungen unter die Diktatur des Profits mit Institutionen wie Weltbank, IWF und Rating-Agenturen. Linke Regierungen, die sich diesem Prinzip widersetzen, werden entweder verdeckt durch Sanktionen und Embargos oder offen mit Militärinterventionen angegriffen. Einzelnen Kapitalfraktionen stehen außerdem direkte Mechanismen wie offene und verdeckte Bestechung zur Verfügung, um Politik und Institutionen auf ihre Seite zu ziehen.

Der Staat steht also schon seiner Rolle nach immer auf der Seite des Kapitals. Zugeständnisse an die Klimabewegung macht er nur in dem Maße, in dem er sie mit seinen Zielen vereinbaren kann – oder, wenn er dazu gezwungen wird. Beispielsweise durch Druck von der Straße oder in den Betrieben.

An den Staat zu appellieren, wird uns deswegen unserem Ziel nicht näher bringen. Wirksamer Klimaschutz kann immer nur gegen den bürgerlichen Staat, niemals durch ihn durchgesetzt werden. Als direkte Konsequenz aus unserem Verständnis des bürgerlichen Staates lehnen wir es ab, sich mit Bitten oder Appellen an Parteien oder Regierungen zu wenden.

Die Vergangenheit hat im Gegenteil klar gezeigt, dass erfolgreiche soziale oder Umweltbewegungen ab einem bestimmten Punkt vom Staat als Gegner angesehen und bekämpft werden. Daher müssen wir unsere Aktionen und Organisierung auf eine Art aufstellen, die uns weder von bürgerlichen Rechten noch staatlichen Institutionen abhängig macht.

Um staatlicher Repression zuvorzukommen halten wir eine Organisierung für notwendig, die dem Staat Einblicke in die Strukturen erschwert. Gleichzeitig ist Massenmobilisierung und Ansprechbarkeit jedoch eine Voraussetzung für unseren Erfolg als Bewegung. Diesen Widerspruch müssen wir durch verschiedene Organisationsformen und offene Beteiligungsmöglichkeiten mit Leben füllen.

4. Internationale Solidarität bedeutet Kampf gegen das nationale Kapital

Die kapitalistische Ausbeutung macht nicht an nationalen Grenzen halt. Längst haben die großen Monopole ihren Einfluss auf die ganze Welt ausgedehnt. Gestützt und geschützt werden sie dabei von ihren nationalen Regierungen, die mittels wirtschaftlichen und militärischen Kriegen die Interessen ihrer Konzerne noch in den entlegensten Winkeln der Welt verteidigen.

Über den Export von Kapital, also den Aufkauf von Infrastruktur und Produktionsstätten in anderen Teilen der Welt, haben die Großkonzerne der imperialistischen Zentren große Teile anderer Länder in ihren Besitz gebracht. So verdienen französische Energiekonzerne an den Uranbeständen im Niger, deutsche Fleischkonzerne an der Abholzung des Regenwaldes in Brasilien und amerikanische Energiekonzerne an den Ölvorkommen arabischer Länder.

Besonders seit die Klimakrise immer weitere Teile der Menschen in Bewegung gesetzt hat, nutzen die großen Konzerne und ihre Staaten die imperialistische Ausbeutung anderer Länder, um im Inland ein grünes Image zu präsentieren. Da wird dann (sinnbildlich gesprochen) für jeden abgeholzten Hektar Regenwald ein Baum in Deutschland gepflanzt. Das Auslagern der eigenen schmutzigen Produktion in andere, wirtschaftlich abhängige Länder wird als Schritt zur nationalen Klimaneutralität präsentiert.

Während die imperialistischen Zentren für den größten Teil der Emissionen verantwortlich sind, treffen die Auswirkungen der Klimakrise besonders die von ihnen ausgebeuteten Teile der Welt. Und so treiben die steigenden Fluten immer größere Massen Besitzloser aus den ausgebeuteten Ländern in die Flucht. An den Rändern der imperialistischen Zentren sorgen gleichzeitig aufgerüstete Grenzregime für Abschottung. Ein wichtiger Teil des Klimakampfes ist daher der Kampf gegen diese Grenzen, die rassistische Spaltung der Gesellschaft und die auf ihrer Grundlage erleichterte Politik der Niederhaltung und Abschiebung von Geflüchteten.

Wir stehen solidarisch an der Seite aller fortschrittlichen Bewegungen weltweit. Der Kampf gegen die Klimakrise ist im nationalen Rahmen nicht zu gewinnen. Wir wollen den internationalen Widerstand gegen die Klimakrise und ihre Auswirkungen und gegen imperialistische Ausbeutung und Kriege sichtbar machen und wo wir können praktisch unterstützen. Internationale Solidarität bedeutet für uns jedoch in erster Linie den verstärkten Kampf gegen den deutschen Imperialismus. Unsere Aktionen haben daher die Verantwortung des deutschen Kapitals für Verbrechen in anderen Ländern im Fokus: Der Hauptfeind steht im eigenen Land.

5. Die Technik ist nicht unser Feind, sondern in der Hand des Feindes

Die Fortschritte in der Wissenschaft und der Technologie haben der Menschheit gewaltige Möglichkeiten eröffnet. Durch sie ist es möglich geworden, eine Welt ohne Hunger und Mangel zu schaffen, Krankheiten zu besiegen und die Versorgung von Milliarden Menschen mit allem Nötigen zu gewährleisten. Dem entgegen steht lediglich, in wessen Dienst diese Technik steht. Denn wie alles andere dient auch die Technologie in diesem System nicht der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, sondern dem Anhäufen von Kapital.

Gleichzeitig ist dies auch der Grund, weshalb eine „technische“ Lösung der Klimakrise innerhalb der herrschenden Verhältnisse unmöglich ist. Viele Möglichkeiten zur nachhaltigen und ressourcenarmen Produktion sind seit langem gegeben, werden jedoch nicht oder kaum angewandt, weil sie den Zielen von stetigem Wachstum und Akkumulation entgegenstehen. Zum Beispiel lassen sich natürliche Ressourcen wie Wind oder Sonnenlicht nicht als Ware verkaufen wie Öl oder Kohle und sind daher für den Kapitalismus weniger interessant. Langlebige Geräte oder Materialien widersprechen dem Gebot, möglichst viele Waren zu verkaufen.

Ansätze, die behaupten, das Problem des Klimawandels und der Umweltzerstörung lasse sich innerhalb des Systems mit einer Reduzierung des Wachstums lösen, sind daher zum Scheitern verurteilt. Wachstum ist integraler Bestandteil des Kapitalismus. Selbst kurze Perioden, in denen das Bruttoinlandsprodukt nicht steigt, bedeuten tiefgreifende Krisen. Denn kein Wachstum bedeutet auch keine Aussicht auf kommende Profite und daher keine Investitionsanreize.

Die Technik ist also nicht unser Feind, sondern in der Hand des Feindes. Um sie sinnvoll nutzen zu können, müssen wir sie demokratisieren. Wir kämpfen für die Konversion von Branchen wie dem Energie- oder Verkehrssektor hin zu nachhaltigen und kollektiven Lösungen. Das Problem ist nicht die Weiterentwicklung der Technik, sondern die unsoziale Abwicklung von Konversionen im Kapitalismus. Wir sind in unseren Forderungen weder technikfeindlich, noch glauben wir an die rein technische Lösung der Klimakrise. Wir müssen in unseren Kämpfen stets deutlich machen, was der wahre Kern des Problems ist: die Eigentumsverhältnisse, die die tatsächliche Entfaltung des menschlichen Fortschritts verhindern.

6. Das Problem liegt nicht im Konsum, sondern in der Produktion

Längst haben die großen Unternehmen Wege gefunden, aus dem Bedürfnis der Menschen, die globale Erwärmung aufzuhalten, Geld zu machen. Verschiedene Plaketten und Siegel sollen umweltfreundliche Produktion suggerieren – und verschleiern dabei doch meist nur die auf andere Weise fortgesetzte Umweltzerstörung.

Gleichzeitig nutzen Politik und Kapital das Bedürfnis nach bewusstem Konsum aus, um die Verantwortung von Klimakrise und Umweltzerstörung auf das Individuum zu verlagern: Statt über ein Verbot der Massentierhaltung wollen sie über einen vegetarischen Mensa-Tag sprechen; statt über eine Verkehrswende über unsere Urlaubsgewohnheiten. Der Ölkonzern BP hat den „Carbon Footprint Calculator“ erfunden, mit dem Menschen „ihren CO2-Fußabdruck“ ausrechnen können, um zu suggerieren, die Emissionen hätten ihre Wurzeln im individuellen Konsum statt der schädlichen Produktion von Waren und Energie.

So behaupten Staat und Kapital, die Lösung der Klimakrise würde von „uneinsichtigen Konsument:innen“ behindert, statt von ihnen selbst und ihrem System. Damit treiben sie einen Keil zwischen die Klimabewegung und all jene, die sich „bewussten Konsum“ nicht leisten können. Aber das Problem liegt nicht im Konsum – es liegt in der Produktion. So lange diese nicht auf die Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse, sondern auf die Erwirtschaftung von Profiten gerichtet ist, wird sich an den CO2-Emissionen nichts ändern.

Statt den Kauf (oft sehr teurer) umweltfreundlicher Produkte zu propagieren, müssen wir die umweltschädliche Produktion einstellen. Statt den Menschen in kleinen Dörfern ohne Bahnanschluss ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie Auto fahren, müssen wir den Nahverkehr ausbauen. Veränderungen in unserer Lebensweise, die notwendig sein werden um das Klima zu schützen, wollen wir gesamtgesellschaftlich bewusst entscheiden und nicht individualisiert und unverbindlich. Das können wir schon alltäglich erproben – durch eine gemeinsame Praxis, die sich nicht auf den Kampf auf der Straße beschränkt, sondern den Aufbau und die Förderung von Gegenkultur miteinbezieht.

Wir stellen der Individualisierung durch die Ideologie der Konsumkritik den kollektiven Aufbau von Gegenmacht entgegen. Das Betreiben von konsumfreien Räumen, das gemeinsame vegane Kochen und die gegenseitige Hilfe bei der Reparatur von Geräten kann Teil der nötigen Gegenkultur sein, aus welcher heraus wir unseren Widerstand entwickeln. Gleichzeitig propagieren wir den gemeinsamen Kampf für gesellschaftliche Veränderung statt wirkungsloser Appelle an die „individuelle Verantwortung“.

7. Wir brauchen eine demokratisch organisierte Produktion

Vergiftete Flüsse. Brandrodung im Regenwald. Massentierhaltung. Hinter all diesen Phänomenen stehen aktive Entscheidungen, die Shareholder:innen und Kapitalist:innen im Wettstreit um die größte Profitspanne getroffen haben. Möglich wird das durch die Eigentumsverhältnisse, die den Kern des Kapitalismus bilden.

Eine Gesellschaft, die der Klimakatastrophe etwas entgegensetzen will, muss jedoch eine Gesellschaft sein, in der für die Bedürfnisse der Menschen und nicht für den Profit produziert wird. Um das möglich zu machen, ist es notwendig, die Prinzipien von Konkurrenz und privater Aneignung außer Kraft zu setzen. Wir müssen also die Mittel der Produktion – die Fabriken, Felder und Kraftwerke – und die Infrastruktur in die Hände der Gesellschaft überführen. Dafür müssen wir ihre Eigentümer:innen enteignen.

Nur, wenn zum Beispiel die Entscheidungsgewalt über den gesamten Verkehrs- oder Energiesektor in den Händen der Gesellschaft liegt, können wir die notwendige Entscheidung für die Verkehrs- oder Energiewende demokratisch treffen und auch umsetzen. Einzelne Verstaatlichungen reichen dabei jedoch nicht aus: Innerhalb des kapitalistischen Systems der Konkurrenz sind auch staatliche und kommunale Betriebe zumindest in Teilen dem Profitzwang und Wettbewerbsdruck unterworfen. Deshalb müssen wir die gesamte Produktion aus den privaten, konkurrierenden Händen nehmen und in gesellschaftliches Eigentum überführen.

Wir kämpfen für eine geplante Wirtschaft, in der demokratisch über Priorisierung, Art und Inhalt der Produktion entschieden wird. Immer mit dem Ziel, allen Menschen ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen, während gleichzeitig Natur und Klima geschützt werden. In unseren Kämpfen heben wir die Eigentumsverhältnisse im Kapitalismus hervor und treten für Enteignung und gegen Privatisierung ein. Dabei ist uns wichtig, dass Forderungen nach einer geplanten Wirtschaft konkret werden. Wir müssen uns mit historischen Erfahrungen und internationalen Beispielen kritisch und offen auseinandersetzen, statt nur von einem abstrakten „System Change“ zu sprechen.

8. Spaltung überwinden, Emanzipationsbewegungen unterstützen

In unserer Gesellschaft herrschen vielfältige Spaltungslinien, wie Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Hinter ihnen stehen reale Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse, unter denen ein Großteil der Menschheit leidet. Die daraus resultierenden Ideologien spalten all jene Menschen, die wir im gemeinsamen Kampf für eine klimagerechte und klassenlose Gesellschaft vereinen müssen. Daher ist das Vorgehen gegen Spaltungsideologien und Diskriminierung nicht nur ein wichtiges Ziel für sich, sondern auch politische und faktische Notwendigkeit für den Klimakampf.

Das wichtigste Mittel gegen Spaltung und Unterdrückung ist der gemeinsame Kampf. Wir stehen solidarisch an der Seite aller Bewegungen, in denen sich Menschen gegen ihre Ausgrenzung, Niederhaltung und Diskriminierung zusammenschließen. Dabei sind wir uns bewusst, dass diese Spaltungsmechanismen allen Menschen, auch uns, ihren Stempel aufdrücken. Wir gehen gezielt und kollektiv gegen rückschrittliches, diskriminierendes Verhalten in den eigenen Reihen und der Klimabewegung insgesamt vor.

9. Gegenmacht erfahrbar machen

Die Grundlage jeder Gesellschaftsordnung bilden die in ihr herrschenden Produktions- und Eigentumsverhältnisse. Die Ideologie der herrschenden Klasse war und ist immer darauf ausgerichtet, diese Verhältnisse zu rechtfertigen und zu zementieren.

Weil sich das eigene Leben innerhalb der gegebenen Verhältnisse abspielt, neigen die Menschen in Zeiten, in denen das System stabil ist, dazu, diese Verhältnisse und ihre Rechtfertigungen als richtig oder notwendig zu akzeptieren. So wie in der feudalen Gesellschaft des Mittelalters die gottgegebene Weltordnung als natürlich erschien, erscheint heute die Konkurrenz als unveränderlicher Teil des menschlichen Charakters. Erst wenn das System brüchig wird, werden auch für die Mehrheit der Menschen grundlegende Alternativen denkbar.

Wir sind dem Lauf der Geschichte nicht hilflos ausgeliefert, sondern in der Lage, aktiv auf die Verhältnisse einzuwirken und damit unser Schicksal selbst zu bestimmen. Dies kann jedoch niemals allein auf der inhaltlichen, ideologischen Ebene passieren: Wir müssen unsere Macht, etwas zu ändern, real erlebbar machen, und damit Bewusstsein für Alternativen zu den herrschenden Verhältnissen schaffen.

Reale Kämpfe und Erfahrungen von kollektivem Handeln haben eine höhere Überzeugungskraft als theoretische Argumente. Uns geht es deshalb darum, Kämpfe zu führen statt nur darüber zu reden. Durch Proteste auf der Straße und in den Betrieben ebenso wie durch den Aufbau von Gegenmacht und Gegenkultur. So können wir in die Geschichte eingreifen.

10. Wir brauchen eine verbindliche Organisation mit klaren Zielen

Nur die abstrakte Zielstellung einer klimagerechten Gesellschaft ist für unseren Kampf nicht ausreichend: Um effektiv handeln zu können, brauchen wir eine kollektive Einigkeit darüber, was zu tun ist und wo genau wir hin wollen. Denn nur, wenn wir gemeinsam an der gleichen Strategie arbeiten, können wir diese auch verwirklichen.

Unterschiedliche Ansichten wollen wir nicht einfach nebeneinander stehen lassen, sondern ausdiskutieren. Die verschiedenen Erfahrungen und Expertisen in der Klimabewegung können unsere Stärke sein, wenn wir sie kombinieren, um gemeinsam den richtigen Weg zu finden. Ein Nebeneinander verschiedener Herangehensweisen und Zielvorstellungen, wie sie innerhalb vieler Organisationen der Klimabewegung verbreitet ist, halten wir hingegen nicht für sinnvoll.

Den Kapitalismus anzugreifen, die Klimakrise abzuwenden, das sind keine leichten Aufgaben. Wenn wir uns zusammenschließen, brauchen wir deshalb ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und Verbindlichkeit. Innerhalb unserer Organisierung, aber auch in der Zusammenarbeit mit anderen halten wir uns an das Prinzip, dass gemeinsame Beschlüsse von allen kollektiv umgesetzt werden.

Dabei ist klar: Nichts davon kann im leeren Raum oder am Schreibtisch entwickelt werden und keine Analyse oder Strategie ist jemals perfekt. Unterschiedliche Orte und Momente erfordern unterschiedliche Taktiken und Schwerpunkte. Unser Anspruch ist die permanente Überprüfung unserer Inhalte und Herangehensweisen an der Realität – durch die Auswertung der praktischen Arbeit, die Analyse und Korrektur von Fehlern und die Diskussion untereinander und in der Klimabewegung. Theorie und Praxis gehören für uns untrennbar zusammen.

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Veröffentlicht im Februar 2021

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